11.01.2017 - N.

Sie ist tot. Gestorben bei einem Skiunfall vor 16 Tagen. Aber das weiß ich erst seit jetzt. Wenn ich ehrlich bin kannte ich sie gar nicht so gut. Wir waren halt in dieser Gruppe, haben ab und an geschrieben, aber wir waren keine engen Freunde oder so. Ich kannte sie. Ein bisschen jedenfalls. Es ist noch nie jemand gestorben den ich ein bisschen kannte. Das ist ein komisches Gefühl. Ich weiß gar nicht wie ich mich fühlen soll.

Ich habe ihre Freundschaftsanfrage auf Facebook jetzt angenommen. Nach über einem Jahr. Obwohl es doch jetzt überhaupt nichts mehr bringt. Ich wollte wohl zeigen, dass ich sie kannte. Ich will beweisen können, dass unsere Leben sich gestreift haben.

Das ist alles so seltsam. Kennt ihr das, wenn ihr etwas vermutet und dann passiert es? Und ihr denkt 'boah wie beeindruckend, ich hätte jemandem von der Vermutung erzählen sollen' und beim nächsten Mal erzählt man die Vermutung jemandem und dann passiert nichts. Ich hab die Vermutung der Tod schleicht dieses Jahr um mich herum. Und ich spreche das jetzt aus, in der Hoffnung es bewahrheitet sich dadurch nicht. Andererseits habe ich dieses Jahr schon zwei Ereignisse ''vorhergesagt'' und dann ist das wirklich passiert. Das macht mir angst.
Eigentlich find ich den Tod nicht schlimm. Man ist dann halt weg. Mein eigener Tod ist echt gar kein Problem. Im Moment des sterbens vielleicht ein bisschen schade, aber nicht schlimm.
Aber ich will nicht, dass andere Menschen sterben. Schon gar keine die ich kenne. noch nicht mal die, die ich ein bisschen kenne.

Ich hab mich als dieses ekelhafte Berlin-attentat-dings war aufgeregt dass alle so heuchlerisch sind. Bin ich heuchlerisch, wenn ich sage dass ich es schade finde, dass sie tot ist? Ich meine wir standen uns ja gar nicht wirklich nahe.
Und bin ich kalt und scheiße, wenn es mir nichts ausmacht?
Welche Gefühle sind in dieser Situation angemessen?

Ich frag mich wie viele Leute wohl schon tot sind, die mal in irgendeiner Form, Teil meines Lebens waren. Bei Menschen die mir wirklich extrem nah standen hatte ich davor immer Angst,.. dass ich es gar nicht erfahre, dass sie tot sind. Man könnte jetzt sagen, dass es dann ja auch irgendwie egal wäre, weil sie ja eh schon weg aus meinem Leben waren. Aber es ist halt doch irgendwie ein Unterschied ob jemand tot ist oder nur kein Teil meines Lebens mehr. Obwohl für mich rein praktisch ja nichts anders ist.

Ich war fast ein Jahr raus aus der Gruppe und als ich im Dezember wieder dazu gestoßen bin, haben sich viele Leute total gefreut. Sie auch. Das bedeutet mir schon etwas.
Zu ihrer Handynummer gibt es einen Namen und ein Gesicht. Nicht so wie bei anderen. Wie gesagt, ich kenne sie ein bisschen.
Jetzt wo sie tot ist interessiere ich mich irgendwie viel mehr für sie. lese ihre Bildbeschreibungen auf Instagram, google ihren namen und lese im Forum was sie so geschrieben hat. Am 20. Februar wäre sie 17 geworden. Das ist irgendwie jung. Wenn ich so überlege was ich zwischen 16 & Heute erlebt habe. Krass. Irgendwie alles was mich wirklich verändert hat. Und sie wird das nicht mehr erleben. Vielleicht hätte sie die Welt gerettet. Okay, nein, das wird jetzt albern. Sie schläft jetzt für immer. oder naja ist halt einfach weg.  Ich fühl mich ein bisschen schuldig weil ich mich jetzt mehr mit ihr beschäftige als in der Zeit in der sie noch gelebt hat.

Es gibt Zeitungsartikel über ihren Tod. Das ist krass. Ich weiß echt nicht wie ich mich dabei fühlen soll. Aber es ist gut zu lesen was genau passiert ist. Ich mag Fakten irgendwie. Die erden mich.

''Ich bin im Skilager ich habe genug Schnee'' hat sie geschrieben, drei Tage bevor sie gestorben ist.
Ihre letzten Nachrichten an die Gruppe, richteten sich an mich. Weil ich zu doof war Sauce zu kochen und sie meinte Mehl würde doch neutral schmecken, obwohl es schmeckt nach Staub. Sie hat probiert meinte sie. jemand anderes antwortete, dass das aber nur so wäre wenn nicht noch was anderes drin wäre und sie meinte 'dann schmeckt es im besten Fall nach Küchlein'.. Ihre absolut letzte Nachricht war aber '' Hmm vll schrubben?'' weil alles  angebrannt war und ich den Topf nicht wieder sauber bekam.  Und das wars. Es wird keine Nachrichten mehr geben. Das war so ein banales Thema. Wir hätten vielleicht über den Weltfrieden diskutieren sollen oder darüber wie wichtig wir einander wären. Aber nein. Ihr letztes Gespräch in der Gruppe drehte sich um angebrannte Sauce und das schrubben von Töpfen.
Ich fühl mich wirklich komisch. 

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